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Positionspapier

I. Präambel

Die Entwicklung des medizinischen Fortschritts erweitert das Diagnostik-, Therapie- und Betreuungsspektrum aller Heilberufe. Damit verbunden ist die Steigerung des Lebensalters, der Lebensqualität, aber auch der höhere Anspruch des aufgeklärten Patienten an Diagnostik, Therapie und Betreuung seiner Erkrankungen.

Die Beitragssatzstabilität begrenzt willkürlich die finanziellen Ressourcen der gesetzlichen Krankenkasse. Deshalb müssen folgende Fragen zugelassen werden:

  • Welche medizinischen Leistungen sollen in Zukunft finanziert werden?
  • Inwieweit muss der Patient in seiner Verantwortung mit eingebunden werden?

Die „ausreichende, zweckmäßige und notwendige” Diagnostik, Therapie und Betreuung ist durch die Solidargemeinschaft in hohem Umfang zu tragen. Die Versicherten und die Patienten müssen jedoch das Recht haben, ihre Gesundheitsziele festzulegen und die Art der Diagnostik, Therapie und Betreuung nach Absprache mit dem Behandler in Eigenverantwortung zu variieren. Dabei darf ihm der Grundanspruch seiner Versicherungsleistung nicht verloren gehen. Es ist eine Neubestimmung von Eigenvorsorge, Subsidiarität und Solidarität herzustellen.

Das Sächsische Bündnis Gesundheit 2000 favorisiert ein System der Finanzierung von medizinischen Leistungen nach:

  1. Vollfinanzierte Basisleistung durch die Krankenversicherung.
  2. Mischfinanzierte Leistungen durch Krankenversicherung und Patienten.
  3. Eigenfinanzierte Leistungen durch die Patienten.

Die Eigenverantwortung der Patienten ist insbesondere bei seinem Präventionsbemühen zu fördern. Die Heilberufler werden ihn bei diesen Bemühungen aktiv unterstützen. Die Leistungserbringer müssen sich hier wie in anderen Bereichen auf eine veränderte Rolle des Patienten im Gesundheitssystem einstellen.

Eine notwendige Strukturreform im Gesundheitswesen darf sich deshalb nicht an der gewohnten Praxis der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) der Vergangenheit orientieren, sondern muss sich durch eine neue Systematik den Anforderungen der Zukunft stellen.

 

II. 

Analyse der Situation
10 Jahre nach Wiederherstellung der deutschen Einheit

Das Sächsische Bündnis Gesundheit 2000 gründete sich am 14.07.1999 in Folge der absehbaren tiefen Einschnitte in der Versorgung der Patienten durch die geplante Gesundheitsreform der Rot-Grünen-Koalition.
Im Bündnis schlossen sich 30 Kammern und Vereinigungen der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker sowie Verbände, Krankenhausgesellschaft und Pflegeberufe, die alle im Dienste der Patienten tätig sind, und Patientenvertretungen zusammen.

Fehleinschätzungen des Gesetzgebers sowie verfehlte planwirtschaftliche Lösungsansätze im letzten Reformvorhaben haben den medizinischen Wirtschaftszweigen geschadet. Die favorisierte Budgetpolitik ist nicht nur existenzgefährdend für die Heilberufe, sondern richtet sich vor allem gegen die Interessen der Patienten, die eine umfassende medizinische Betreuung erwarten.

Die Ursache der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen liegt vorwiegend in der Dynamik des medizinischen Fortschrittes. Dieser wird von der Gesellschaft dankbar aufgenommen.

Der bemerkenswerte Anstieg der Lebenserwartung in den Industrienationen ist auf diesen Fortschritt zurückzuführen, der mit einer erhöhten Lebensqualität, jedoch auch mit einer Multimorbidität im Alter verbunden ist. Der Bedarf an Gesundheitsleistungen steigt somit objektiv.

In jedem anderen Wirtschaftszweig wird ein Fortschritt und ein höherer Bedarf als positiv bewertet und begrüßt. In der Gesundheitspolitik wird in Folge fehlerhafter Denkansätze dieser Entwicklung mit Deckelung der Finanzen begegnet. Das führt zur Mangelversorgung, Rationierung und zur Qualitätseinbuße in der medizinischen Betreuung.

Das Wachstum der finanziellen Basis der GKV bleibt durch Dauerarbeitslosigkeit, Verschiebungen der Einkommensarten und dem demographischen Wandel aus.

Zusätzlich wird die Einnahmensituation der GKV durch weitere Eingriffe der Politik geschwächt:

  1. Mindereinnahmen der GKV für Empfänger von Arbeitslosenhilfe.
  2. Krankengeldnachzahlungen wegen nicht berücksichtigter Einmalzahlungen (Urteil des Bundesverfassungsgerichtes).
  3. Die zum 30. September 2000 zu erwartende erneute Wanderungsbewegung der GKV-Versicherten zu Gunsten von gesetzlichen Krankenversicherungen mit geringen Beitragssätzen.
  4. Mittelfristig, spätestens langfristig zu erwartende Verringerung der Beitragseinnahmen bei Absenkung des Rentenniveaus.

Das Anliegen des Sächsischen Bündnisses Gesundheit 2000 ist es, unter Beibehaltung des Solidarprinzips zwischen Gesunden und Kranken, Alten und Jungen, Armen und Reichen, den Patienten eine qualitativ hochwertige, nach individuellen Gesundheitszielen ausgerichtete medizinische Versorgung zukommen zu lassen.

 

III. 

Ziele und Lösungswege für eine Reform aus der Sicht des Bündnisses Gesundheit 2000 im Freistaat Sachsen

Die gesetzliche Krankenversicherung hat ihre Wurzeln in der Absicherung einer unbedingt erforderlichen medizinischen Versorgung besonders schutzbedürftiger Bevölkerungsschichten.

Bei der Rückbesinnung auf dieses Prinzip sind alle Bürger Deutschlands verpflichtet, eine Versicherung für eine Basisversorgung medizinischer Leistungen abzuschließen.

Über die Basisversorgung hinausgehende Leistungen werden von Versicherten und Patienten in eigener Verantwortung gewählt.

Das Sächsische Bündnis Gesundheit 2000 schlägt eine Einteilung der medizinischen Leistungen in drei Kategorien vor:

  1. Vollfinanzierte Basisleistungen durch die Krankenversicherung.
  2. Mischfinanzierte Zusatzleistungen durch Krankenversicherung und Patienten.
  3. Eigenfinanzierte Leistungen durch die Patienten.

Der Umfang der Basisversorgung wird vom Gesetzgeber festgelegt. Der Versorgungsbedarf wird auf der Basis von Gesundheitsberichterstattungen und Morbiditätsanalysen erfasst.
Die Finanzierung der im Basiskatalog enthaltenen Leistungen muss versicherungs-technisch in Form von leistungsgerechten Vergütungen gewährleistet werden.

Alle Krankenversicherungen - Aufhebung der Trennung von Gesetzlicher Krankenversicherung und Privater Krankenversicherung (PKV) - stellen die Basisleistungen dem Versicherten zu gleichen Bedingungen zur Verfügung. Jede Krankenversicherung ist verpflichtet, im Rahmen des Basiskataloges den Versicherten aufzunehmen (Kontrahierungszwang). Das Morbiditätsrisiko und die damit verbundenen finanziellen Belastungen trägt ausschließlich die Versicherung.

Alle über den Basiskatalog hinausgehenden Leistungen müssen eigenverantwortlich durch den Patienten abgesichert werden. Hier sind Zusatzversicherungen oder Eigenbeteiligungsmodelle vorstellbar.

Die zunehmende Differenzierung von Behandlungsalternativen verstärkt die Notwendigkeit, dem Betroffenen eine autonome Auswahl unter den Behandlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Nur der Versicherte selbst kennt seine individuellen Verhältnisse und kann beurteilen und entscheiden, welche Behandlungsmethoden er in Anspruch nehmen will und kann.

Eine wichtige Rolle spielt die Prävention und Rehabilitation bei der Zuordnung von Leistungsbereichen zum Basis- bzw. Wahlleistungskatalog.

Versicherungstechnisch sind Anreize für prophylaktische Verhaltensweisen zu schaffen. Ziel einer Gesundheitsreform muss es sein, die Eigenverantwortlichkeit des Patienten zu stärken. Für ein Gesundheitswesen, das nicht auf staatlicher Reglementierung, sondern auf Eigenverantwortung und Vorsorge des mündigen Bürgers basiert, gelten folgende Punkte:

  • Zugang zur optimalen medizinischen Versorgung.
  • Freie Wahl unter den Leistungsanbietern des Gesundheitsmarktes.
  • Freie Arzt- und Klinikwahl.
  • Therapiefreiheit durch die Heilberufe.
  • Niederlassungsfreiheit medizinischer Berufe.
  • Freie Wahl der Krankenversicherung.
  • Wettbewerbsfreiheit unter den Krankenversicherungen.

Im Bereich der mischfinanzierten Leistungen sind Krankenversicherungen frei im Wettbewerb um die Versicherten. In diesem Bereich besteht Vertragsfreiheit. Dem Kostenerstattungsprinzip wird hier Vorrang gegeben. Dieses ermöglicht die freie Entscheidung des Patienten über seine Therapie ohne Verlust auf den Anspruch seiner zugesicherten Versicherungsleistung. Weiterhin bietet das Kostenerstattungsprinzip weit mehr Transparenz als ein anonymes Sachleistungsprinzip.

Eine verantwortungsbewusste Entscheidung seitens des Patienten beinhaltet auch die Kenntnis der durch ihn ausgelösten Kosten. Dem Versicherten muss in jedem Falle klar sein, ob und in welcher Höhe ihm in einer vorgegebenen Befundsituation eine Kostenerstattung seitens der Versicherung zur Verfügung steht.

Der Bedarf an medizinischen Leistungen wächst kontinuierlich durch:

  • Innovationen in der Medizin.
  • Multimorbidität der Bevölkerung.
  • Demographische Entwicklung.

Dieser Wachstumsmarkt muss gesamtökonomisch erschlossen und darf nicht staatlich begrenzt werden.

Durch die Selbstverwaltungsgremien ist jedoch sicher zu stellen, dass die angebotenen Leistungen den notwendigen Qualitätskriterien entsprechen. Da es in der Medizin keine starren Richtlinien für den Einzelfall gibt, müssen Handlungskorridore für die im Gesundheitswesen Beteiligten aufgezeigt werden. Hierbei können Leitlinien eine wesentliche Hilfe bei dem qualitätsorientierten Handeln durch den Heilberufler darstellen. Im Übrigen besteht schon heute ein umfassendes Angebot an Aus-, Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten. Es ist und bleibt Auftrag und Ziel der Heilberufler, die medizinische Sicherstellung für die Bevölkerung in zeitgemäßen, kooperativen Betreuungsstrukturen und bei bestmöglicher Qualität zu realisieren.

Die Qualitätssicherung bedarf notwendiger Voraussetzungen (voraussetzungsorientierte Qualitätssicherung). Die Qualität kann nur sichergestellt werden durch eine Vergütung medizinischer Leistungen nach betriebswirtschaftlich kalkulierten Beträgen.

Die Kosten für eine hochwertige medizinische Versorgung sind durch betriebswirtschaftliche Parameter bestimmt und nicht der Beliebigkeit politischer Zielsetzungen unterstellt.

Die Aufgabe der Politik ist es vielmehr, die Entscheidung herbeizuführen, was will man zukünftig in einer Versichertengemeinschaft solidarisch im Gesundheitswesen finanzieren und welches Spektrum an Leistungen stellt man in die Eigenverantwortung des mündigen Bürgers.

Sächsische Landesärztekammer

 

 

Bündnispartner des Sächsischen Bündnisses Gesundheit 2000

  1. Sächsische Landesärztekammer
  2. Kassenärztliche Vereinigung Sachsen
  3. Sächsische Landesapothekerkammer
  4. Sächsischer Apothekerverband e.V.
  5. Kassenzahnärztliche Vereinigung Sachsen
  6. Sächsische Landeszahnärztekammer
  7. Sächsische Krankenhausgesellschaft e.V.
  8. Marburger Bund, Landesverband Sachsen
  9. Deutscher Verband für Physiotherapie, Zentralverband der Physiotherapeuten
  10. Verband Physikalische Therapie, Landesgruppe Sachsen
  11. Sächsischer Heilbäderverband e.V.
  12. Zahntechnikerinnung Westsachsen
  13. Zahntechnikerinnung Dresden-Leipzig
  14. Landesinnungsverband Orthopädieschuhtechnik Sachsen
  15. Landesinnung für Orthopädietechnik Sachsen
  16. Hartmannbund - Landesverband Sachsen und Sachsen-Anhalt
  17. NAV-Virchow-Bund
  18. Landesverband Hauskrankenpflege Sachsen e.V.
  19. Gesellschaft ambulante Krankenpflege e.V.
  20. bpa Bundesverband privater Alten- und Pflegeheime und ambulante Dienste e.V.
  21. Landesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte Sachsen e.V. - LAG
  22. Vertragsärztliche Vereinigung Sachsen e.V.
  23. Sächsischer Pflegerat
  24. Deutsches Rotes Kreuz Schwesternschaften Sachsen e.V.
  25. Berufsverband der Arzt-, Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen e.V.
  26. ÖTV Gesundheitswesen
  27. Freier Verband Deutscher Zahnärzte e.V.
  28. VDB - Physiotherapieverband e.V., Berufs- und Wirtschaftsverband der Selbständigen in der Physiotherapie
  29. Sächsischer Berufsverband der Fachärzte für Allgemeinmedizin e.V. im BDA Deutschlands e.V.
  30. ABVP Arbeitgeber und Berufsverband Privater Pflege e.V., Regionalgeschäftsstelle Ost
Korrespondenzadresse:  Sächsische Landesärztekammer
Schützenhöhe 16, 01099 Dresden
Tel.: 03 51 / 82 67 - 411, Fax: 03 51 / 82 67 - 412
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Letzte Aktualisierung: 14.10.2000 zum Seitenanfang    Druckversion    
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